KENAKO Afrika-Festival 2025/ 2026
“Frieden im Zeitalter globaler Kriegsführung”
Kriegerische Auseinandersetzungen sind ein ständiger Begleiter der Menschheitsgeschichte, und es ist unwahrscheinlich, dass wir eine Welt ohne Gewalt und Krieg erleben werden. Diese Realität stellt eine große Herausforderung dar, insbesondere im entwicklungspolitischen Bildungsbereich, der u.a. darauf abzielt, ein tiefes Verständnis für die globalen Zusammenhänge von Konflikten und deren Auswirkungen zu fördern.
In Europa bleibt die Wahrnehmung vieler kriegerischer Konflikte begrenzt. Erst der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der anhaltende Konflikt zwischen Israel und Palästina haben die Sicherheitsbedenken der europäischen Bevölkerung verstärkt. Diese selektive Wahrnehmung führt dazu, dass viele andere Konflikte, insbesondere in Ländern des sogenannten „Globalen Südens” und in afrikanischen Staaten, kaum Beachtung finden. So wird die Lage in Burkina Faso beispielsweise immer schlimmer, ohne dass die internationale Gemeinschaft davon Notiz nimmt. Hier verstärken nichtstaatliche bewaffnete Gruppen ihre Angriffe und übernehmen immer mehr Kontrolle über Teile des Landes. Hinzu kommt, dass durch die beiden Putsche im Jahr 2022 die politische Instabilität des Landes, die Lage verschärft. In Äthiopien wurde zwar im November 2022 ein Friedensabkommen unterzeichnet, das Hoffnung auf ein Ende des Konflikts in Tigray im Norden Äthiopiens machte, doch auch hier sind fast 30 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Im Ostkongo hingegen kämpfen mehr als 100 bewaffnete Gruppen um die Kontrolle und schüren damit eine seit Jahrzehnten andauernde Krise. Besonders betroffen ist auch hier die Zivilbevölkerung, die nicht nur zur Flucht gezwungen wird, sondern auch durch große Krankheitsausbrüche und ein geschwächtes Gesundheitssystem betroffen ist. Viele Konflikte des afrikanischen Kontinents haben oft ihre Wurzeln in der europäischen Kolonialzeit oder resultieren aus postkolonialen Spannungen, werden jedoch selten in den europäischen Medien thematisiert.
Während der Kolonialzeit wurden Staaten von außen geformt, was lokale ethnische Gruppen auseinandergerissen und ihnen ihre Selbstbestimmung genommen hat. Diese historischen Ungerechtigkeiten haben langfristige Folgen, die bis heute nachwirken. Expert*innen aus Südafrika sprechen von einem seit über 600 Jahren durch Krieg verursachten Massentrauma. Obwohl die afrikanischen Staaten ab den 1950er Jahren ihre Unabhängigkeit erlangten, profitierten davon zunächst nur privilegierte Teile der Gesellschaft, was zu innerstaatlichen Konflikten führte. [Towards a new Pax Africana: Making, Keeping, and Buliding Peace in Post-Cold War Africa., Dan Kuwali and Dawn Nagar, Spier Hotel, Stellenbosch, South Africa, March 2014]
Die mangelnde internationale Aufmerksamkeit für viele dieser Konflikte führt dazu, dass die betroffenen Menschen alleingelassen werden. Ein weiteres Beispiel neben Burkina Faso hierfür ist der Sudan, wo wiederholt von einem Genozid gesprochen wird und 2022 allein zehn nicht-staatliche Konflikte ausgetragen wurden. Klimakatastrophen wie schwere Überschwemmungen und Dürren erschweren zusätzlich den Menschen den Zugang zu Lebensmitteln und lebenswichtigen Ressourcen. Ähnliche Herausforderungen gibt es im Südsudan, wo 2023 mehr Menschen als je zuvor, insgesamt etwa 7,8 Millionen, von Ernährungssicherheit betroffen waren. Diese Vernachlässigung durch die internationale Gemeinschaft verschärft die humanitären Krisen vor Ort enorm.
Die innerstaatliche Unsicherheit führt darüber hinaus auch zu einem erheblichen Brain Drain. Rund 10 Prozent der Südafrikaner*innen mit höherer Bildung denken ernsthaft über Auswandern nach. Diese Abwanderung qualifizierter Fachkräfte destabilisiert das wirtschaftliche Wachstum, da Investitionen ausbleiben und Maßnahmen gegen Brain Drain nur begrenzt umgesetzt werden können. [Brain-drain in South Africa is affecting health care., Indiran Govender, South African Family Practice, 2024]
Europäische Länder wie Deutschland profitieren hingegen wirtschaftlich von diesen Auseinandersetzungen, insbesondere durch den Export von Waffen. Friedensmissionen, wie die Blauhelme, werden häufig von Ländern des Globalen Nordens angeleitet und sind von einer stark eurozentrischen Perspektive geprägt. Diese “Western-oriented” Herangehensweisen sind oft aufgezwungen und weniger effektiv als Kooperationen mit lokalen Ansätzen. [Understanding peace in africa., Isaac O. Albert, In “Peace and conflict in Africa”, David J. Francis, Zed Books, 2008] Verstärkt wird dies natürlich auch durch das Bild Afrikas, dass der Kontinent von westlichen Ländern “gerettet” werden müsse. Die deutsche Presselandschaft berichtet ausschließlich dann über Länder Afrikas, wenn eines der berühmten “K´s” zutrifft: Katastrophen, Krieg, Konflikte, Krankheiten. Darüber hinaus wird westlichen Friedensmissionen vorgeworfen, zum Selbstzweck geworden zu sein. Dominic Johnson beschreibt in einem 2023 veröffentlichten Bericht der atz das Peackeeping als „eine lukrative Industrie geworden, in der Zehntausende internationale Experten Geld und Karriere machen und über die viele afrikanische und asiatische Länder ihre Armeen finanzieren.“
Zusätzlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass in Zukunft bewaffnete Konflikte zunehmen werden. Wie bereits 2019 eine Studie prognostizierte, erhöht der Klimawandel das Risiko für kriegerische Auseinandersetzungen. In einem Szenario mit vier Grad Erwärmung könnte das Risiko für bewaffnete Konflikte um 26 Prozent gegenüber einer Welt ohne menschengemachten Klimawandel steigen. Faktoren wie Armut, politische Instabilität, gesellschaftliche Ungleichheit und vorangegangene Kämpfe in einer Region haben laut Studie einen weit stärkeren Einfluss auf das Konfliktrisiko als das Klima. Allerdings kann der Klimawandel weltweit auf diese Konfliktfaktoren wirken und so indirekt Konflikte und damit verbundene Gewalt verstärken. [Climate as a risk factor for armed conflict; Nature, Advance Online Publication]
Insgesamt zeigt sich bei der Betrachtung von kriegerischen Auseinandersetzungen, nicht allein auf dem afrikanischen Kontinent, ein mangelndes Bewusstsein und Bildungsbedarf. Dies gilt explizit auch für globale Zusammenhänge zwischen Konflikten: Welche Auswirkungen hat der israelisch-palästinensische Konflikt auf Länder Afrikas? Welche historischen Hintergründe hat die Klage Südafrikas vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag? Inwiefern sind Länder des sogenannten Globalen Süden von europäischen Sanktionen gegenüber Russlands betroffen? Insbesondere sehen wir folgende Probleme bei der Betrachtung von und im Umgang mit kriegerischen Konflikten:
Bewusstsein für globale Zusammenhänge: Es gibt zu wenig Verständnis darüber, wie Länder wie Deutschland mit kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem afrikanischen Kontinent verbunden sind und warum viele Krisen kaum Beachtung finden.
Postkoloniale Strukturen und eurozentrische Perspektiven: Diese verhindern, dass Konflikte effektiv gelöstoder drohende Konflikte abgeschwächt werden können.
Intersektionale Auswirkungen von Kriegen: Kriegerische Auseinandersetzungen beeinflussen den Erfolg vieler der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Sie bedrohen die Gesundheit (körperlich und psychisch), verhindern den Zugang zu Bildung, fördern Armut, Kindersoldaten, sexualisierte Gewalt und Vertreibungen.
Wir möchten daher nicht nur über die afrikanische Realität aufklären und so für eine aufgeschlossene und tolerante Gesellschaft sorgen. Sondern wir möchten gleichzeitig die Mehrheitsgesellschaft in Berlin und Deutschland auf die eigene Verbindung zum Thema “Frieden in Zeiten globaler Kriegsführung” aufmerksam machen und praktisch an eigene Möglichkeiten des Engagements als Friedensmacher*innen heran führen.